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Gott gebe, daß
der Teufel euch vor eurem Ende so quält, wie ihr es mit mir
getan habt.
Sterbender Knecht zu
einem Pflanzer |
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Als die ersten nichtspanischen
Europäer Westindien erreichten, war dieser Kulturkreis schon
unwiederbringlich verändert. Die Spanier hatten systematisch alle
eingeborenen Indianervölker unterdrückt, ausgebeutet und zur Arbeit
in Goldminen und auf Plantagen versklavt.
Da aber weiterhin ein
großer Bedarf an Arbeitskräften vorhanden war, wurden
schwarzafrikanische Männer, Frauen und Kinder gefangen und als Sklaven in
die Karibik und für das amerikanische Festland verschifft.
Um 1530 tauchten die
ersten französischen Hugenotten in diesen Gewässern auf, und es
folgten Menschen aus dem durch spanische Truppen besetzten Holland, aus dem
durch Armut und religiösen wie politischen Wirren gebeutelten englischen
Königreich sowie Glücksritter und Vertriebene aus anderen
europäischen Nationen.
Obwohl Spanien alle
Ländereien für sich beanspruchte, boten sich doch genug Schlupfwinkel
auf wieder verlassenen Inseln, die für Spanien keinen wirtschaftlichen
Anreiz mehr boten. Siedler, Jäger, Freibeuter und Halunken zog es in diese
Gegend. Manche versuchten, ein neues Leben aufzubauen, andere lockte nur der
Reichtum der spanischen Besetzungen, um ihren Teil davon
abzubekommen.
Die
Küstenbruderschaft
Die Inseln Jamaika,
Kuba, Puerto Rico und Hispaniola wurden zu den ersten und wichtigsten
Plätzen, wo sich Siedler, Jäger und Glücksritter niederlassen
konnten. Später entwickelte sich Tortuga, nur eine Segelstunde von
Hispaniola entfernt, zu einem der am meisten gefürchteten Verbrechernester
der Welt. Auf den von spanischen Einflüssen entfernt gelegenen Inseln
sammelten sich auch die Brüder der Küste, deren
Mitglieder Bukaniere genannt wurden.
Die ersten Bukaniere
waren heimatvertriebene, rauhe Gesellen, die mit der normalen Zivilisation
gebrochen hatten und sich in der Neuen Welt niederließen. Sie
gründeten eine harte Männergesellschaft mit neuen Regeln, denen sich
jeder Bruder zu unterwerfen hatte.
Jeder, der Bukanier
werden wollte, unterschrieb ihren Vertrag, Chasse Partie
genannt. Ihrem Verständnis nach war jeder dieser Gruppe gleichwertig und
gleichberechtigt. Sie erwirtschafteten alles für die Gemeinschaft, der ein
von allen gewähltes Oberhaupt vorstand. Der Besitz war Eigentum aller.
Bevor es zur Verteilung der Beute und Güter ging, mußte jeder
schwören, nichts zurückbehalten zu haben - und ein Meineid hatte
normalerweise tödliche Konsequenzen.
Bukaniere waren
untereinander loyal bis in den Tod - anders als bei den späteren
Piraten. Das spanische Militär versuchte einige Male, die Eindringlinge zu
vertreiben, indem sie ihre Häuser zerstörten und sie auszuhungern
versuchten. Über kurz oder lang gaben sie jedoch auf, falls ihre Angriffe
nicht sowieso schon blutig zurückgeschlagen wurden.
1629, als der Druck der
Spanier zu stark wurde, zogen sich die Männer unter dem Gouverneur Le
Vasseur von Hispaniola zurück und siedelten auf Tortuga, daß sie bis
auf kurze Zwischenfälle gegen den Feind halten konnten.
Jäger und
Pflanzer
Einige der Bukaniere
gingen in kleinen Gruppen auf die Jagd nach wilden oder verwilderten Tieren, um
das Fleisch auf Indianerart über dem Boucan-Feuer haltbar zu
machen. Fleisch und Tierfelle verkauften sie an vorbeisegelnde Seeräuber
und spanische Händler, die froh über eine Möglichkeit waren,
brauchbaren Proviant zu bekommen.
Andere rodeten
Waldstücke und begannen, Felder zu bestellen. Die Ernte diente zum einen
für die Existenzsicherung der Küstenbrüder, zum anderen als
weiteres Handels- und Tauschgut mit den Seefahrern.
Knechte und
Sklaven
Unter Jägern und
Pflanzern war es mitunter üblich, daß sie einerseits Knechte
aufnahmen, die sich für einige Jahre verdingten, andererseits auch Sklaven
hielten. Die Knechte kamen insofern freiwillig, als daß sie von den
bekannten europäischen Konflikten in die Karibik getrieben wurden und
nicht wußten, was sie hier erwartete.
Ihr Leben war oft
härter als das der Sklaven, da sie für die Zeit der Verpflichtung
ihrem Herren gehörten und in diesen Jahren stärker
geknechtet wurden - schließlich hatten diese nichts mehr von den
Knechten, wenn diese nach ihrer Zeit weggingen. Manche wurden dazu gebracht,
darum zu bitten, zu einem anderen Pflanzer zu kommen. Ihr alter Herr bekam eine
Auslösung bezahlt, die der Knecht dann wieder über Jahre abarbeiten
mußte.
Die Sklaven blieben ihr
Leben lang billige Arbeitskräfte. Ihr Tod war ein wirtschaftlicher
Verlust, so daß sie zwar auch der Willkür des jeweiligen Besitzers
ausgesetzt waren, aber auch ihren Wert hatten.
Durch Armut und
Verschuldung konnte jeder in die Sklaverei verkauft werden.
Freibeuter und
Piraten
Mit der Zeit, als karge
Ernten und dürftige Jagden kaum das Lebensnotwendige einbrachten, als der
spanische Druck und Handelsbeschränkungen anderer Länder immer
stärker wurden, gingen die ersten Pflanzer und Bukaniere auf Boote und
kleine Schiffe, um mit Überfällen auf spanische Siedlungen oder den
Schiffsverkehr ihre Geldbörse aufzubessern. Besonders ihre frühere
Heimat Hispaniola war ein beliebtes, nahegelegenes Ziel. Sie nannten sich nun
auch Flibustiers - dem englischen Freebooters
nachempfunden.
Die Bukaniere wurden
später sogar von englischen Freibeutern wie Drake oder Morgan regelrecht
für größere Raubzüge angeworben, um die Kampfkraft gegen
die spanischen Besetzungen zu erhöhen.
Dadurch, daß immer
mehr europäische Nationen Stützpunkte und Handelsniederlassungen
gründeten und Siedler ansäßig wurden, ging der Bruderschaft mit
ihrem Kodex und der in sich geschlossenen Gemeinschaft die Existenzgrundlage
und auch ein wenig ihre Daseinsberechtigung verloren.
Trotzdem bildete die
Küstenbruderschaft das Vorbild für die normalen
Piratenmannschaften - viele Regeln und Gesetze wurden übernommen. Sie
waren für die Zeit des 17. Jahrhunderts, trotz aller Grausamkeiten,
innovativ und fanden in Europa erst in der französischen Revolution
ähnliche, in die Tat umgesetzte Strukturen eines neuen Verständnisses
von Gleichheit und Machtverteilung...
Die
Piratengemeinschaft
In einer
Piratengemeinschaft waren die Arbeiten und Positionen an Bord des Schiffes
ebenso verteilt wie im zivilen oder militärischen Leben.
Obwohl auf den
Piratenschiffen für entsprechende Jobs dieselben Titel wie beispielsweise
Kapitän und Bootsmann verwendet wurden, war dies jedoch im Gegensatz zur
christlichen Seefahrt eine selbstbestimmte und widerrufbare
Hierarchie.
Es war alltäglich,
daß die gesamte Mannschaft über ein Ziel oder eine Aktion abstimmte,
die Mehrheit der Piraten eine herausragende Stellung einem Fähigen und
Mutigen zu- oder einem Erfolglosen und Unfähigen absprach. So konnte es
vorkommen, daß sich innerhalb weniger Monate mehrere Männer
erfolgslos als Kapitän versuchten.
Auch die Würfel und
andere unbestechliche Proben wurden zur Abstimmung oder im Wettstreit
verwendet, um eine Entscheidung herbeizuführen.
Prinzipiell waren alle
Männer gleichberechtigt, und allen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, stand
am Ende einer Fahrt der gleiche Anteil zu. Verantwortungsvolle Posten wurden
etwas besser bezahlt und im Enterkampf Verletzte wurden, wenn sie es
überlebten, zusätzlich mit einer Art Verkrüppeltenzulage
beteiligt.
Später Angeheuerte
bekamen ihre Auszahlung natürlich nur anteilig.
Es gab also, im
Gegensatz zu den Freibeutern, keine prinzipiellen Unterschiede durch
Hierarchie. Der Kapitän
Die Führung des
Schiffes im Gefecht war die vordringlichste Aufgabe, für die die
Piratengemeinschaft einen Mann wählte. Dieser sollte der Mannschaft
möglichst großes Selbstvertrauen geben, verwegen sein - pistolenfest
genannt - und außerdem nach Möglichkeit noch ein fähiger
Seemann. Im Gefecht, und nur dort, hatte er eine uneingeschränkte
Befehlsgewalt, der wie in der sonstigen Seefahrt unbedingt zu gehorchen war.
Ansonsten war er allen anderen Piraten gleichgestellt.
Ihm stand die
Kapitänskajüte zu, dort konnte aber jeder einfache Pirat
ungefragt hereinplatzen und die Kammer mitbenutzen.
Der Kapitän erhielt
meistens zwei Anteile von der Beute.
Die Mutter der
Mannschaft
Der Quatermeister
verwaltete das Geld und war Vertrauensperson und Sprachrohr der Mannschaft. Er
wurde als zweite wichtige Instanz dem Kapitän zur Seite gewählt. Er
enterte zuerst eine Prise, organisierte das Soldbuch (in dem die
auszuzahlenden Anteile jedes Einzelnen sowie Zeitraum der Zu- und Abgänge
in der Mannschaft vermerkt waren) und führte Abstimmungen und
Versteigerungen vor dem Mast durch. Auch leitete er Gerichtsverhandlungen und
durfte als einziger von der Mannschaft beschlossene Strafen
durchführen.
Der Quatermeister
verdiente sich meistens anderhalb bis zwei Anteile.
Die
Spezialisten
Wie auch auf zivilen und
militärischen Schiffen gab es bei den Piraten verschiedene hervorzuhebende
Positionen, die sich z.T. besonders bezahlt machten. Dazu gehörten
Bootsmann, Geschützmeister, Segelmacher, Zimmermann (meistens gleichzeitig
der Wundarzt), Mitglieder des Piratenorchesters und der Leutnant. Diese Posten
wurden von Kapitän und Quatermeister vergeben oder von der kompletten
Mannschaft bestimmt. Jeder konnte sich dann zur Wahl stellen und es wurde
abgestimmt.
Der Leutnant war im
Gefecht der Nachfolger des Kapitänes, falls dieser das Kommando wegen
Kampfunfähigkeit nicht mehr führen konnte. Dieser Job hatte aber
keine weiteren Vorteile.
Das Piratenorchester
hatte die verantwortungsvolle Aufgabe, für Stimmung an Bord zu sorgen und
im Kampf die Gegner mit einem Heidenlärm zu verschrecken und zu
demoralisieren. Die Mitglieder der Kapelle waren vom Kampf ausgenommen,
mußten dafür aber immer für Amusement sorgen, auch wenn nur
einer an Bord diesen Wunsch hatte. Ein Musiker und die Spezialisten
(außer dem Leutnant) wurden in der Regel mit 1¼ Anteilen an der
Beute beteiligt, Bootsmann und Geschützmeister sogar mit
1½.
Die
Mannschaft
Alle Arbeiten an Bord
wurden gemeinsam ausgeführt. Anker lichten, Segel setzen und Reparaturen
wurden von den Spezialisten angeleitet, aber zusammen ausgeführt.
Andererseits wurden Arbeiten, die nicht unbedingt zur Erhaltung der Kampfkraft
notwendig waren, gerne liegengelassen.
Lieber trank man Rum und
vertrieb sich die Zeit mit Karten- und Würfelspielen,
Schießenübungen oder Wetten.
[...]
 Die Piratenakte
Grundlage des Lebens an
Bord waren die in der Piratenakte niedergeschriebenen Rechte und Pflichten,
denen sich jeder damit unterwarf, daß er unter sie sein Zeichen machte
und über der Heiligen Schrift oder dem Entermesser einen Schwur leistete.
Meistens waren in der Piratenakte folgende Punkte geregelt:
I.Jeder an Bord
hat die gleichen Rechte und erhält einen gleichen Anteil an Proviant und
Alkohol.
Jeder erhält
anteilig Geld, abhängig von der Zeit, die er an Bord war. Spezialisten
erhalten zusätzliche Anteile.
Bei Abstimmungen
zählt jede Stimme gleich.
I.Im Kampf hat der
Kapitän uneingeschränkte Befugnisse. Müden Kampfgeist oder
Ungehorsam kann er sofort mit dem Tode ahnden.
Jeder Mann muß
seine Waffen gefechtsbereit halten.
I.Jeder bleibt
mindestens solange Mitglied der Gemeinschaft, bis jeder einen Anteil von 1000
Pfund hat. Danach ist es ihm freigestellt, von Bord zu gehen.
Wer im Kampf
verwundet wird, erhält als Ausgleich einen angemessenen Betrag aus der
gemeinschaftlichen Kasse. Für den Verlust eines Auges oder eines Beines
sind 600 Pfund angemessen, für den Verlust einer Hand 400
Pfund.
I.Offenes Feuer nach
Sonnenuntergang und Alkohol unter Deck sind bei Todesstrafe verboten. Wer
nachts weitertrinken will, muß dieses in der Dunkelheit an Deck
tun. II. An Bord ist der intime Umgang mit Frauen und Jungen bei
Todesstrafe verboten. Wer eine Liebschaft an Bord schmuggelt, wird mit dieser
über Bord geworfen.
III. Wer einen
anderen an Bord betrügt oder bestielt, wird aus der Gemeinschaft
ausgestoßen. Die Gemeinschaft beschließt das Urteil über den
Täter.
IV. Streitigkeiten an
Bord sind verboten. Bei Meinungsverschiedenheiten können diese bei einem
Landgang mit Fäusten, Pistolen oder Säbeln ausgetragen
werden.
Wer ein Mitglied der
Gemeinschaft an Bord mit der Waffe verletzt, wird mit dem Tode oder mit
Aussetzen bestraft.
I.Die Musiker
dürfen nur mit Erlaubnis der Mannschaften oder am heiligen Sonntag
ruhen.
Einige verboten auch
Glücksspiele mit Geldeinsatz, regelten, daß einem ehrvollen Gegner
Pardon zu gewähren sei oder nannten besondere Vorteile für das erste
Sichten einer Prise.
[...]
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