Dryadenhain & Dschinnenzauber (Märchenanthologie) (VA40) (5e)

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Rezension: Dryadenhain & Dschinnenzauber - Dreimal Märchen zum Mitnehmen
2020-11-09
Sammelbände für Abenteuer sind abseits der Heldenwerke rar bei DSA 5. Zu den Ausnahmen gehört Dryadenhain und Dschinnenzauber (neben Drachenwerk und Räuberpack). In drei märchenhaften Abenteuern sollen die Helden dabei Geschichten wie aus Grimms Büchern erleben. Für wen sich die Märchenstunde lohnt, lest ihr jetzt.
Dryadenhain & Dschinnenzauber
Autoren: Philipp Busch, Jonathan Driedger, Lena Kalupner, Matthias Kalupner, Christian Nehling
Seitenzahl: 100
Preis: gedruckt 24.95 Euro, als eBook 12,49 Euro
Gewohnt schöne Aufmachung
Eine Frauengestalt, halb aus einem Baum gewachsen, ziert die Front. Zu ihren Füßen erkundet ein Eichhörnchen den Stamm. Auf der linken Bildhälfte herrscht Winter, rechts grünt es dagegen. Damit spielt das Bild direkt auf das erste Abenteuer im Sammelband an. Auch die anderen Bilder sind wieder auf dem gewohnt hohen Niveau von DSA 5.
Dafür fällt das Inhaltsverzeichnis wieder sehr knapp aus. Nicht mal die einzelnen Kapitel der drei Abenteuer werden dort aufgeführt. Das schadet der Übersicht bei 100 Seiten. Seitenangaben sind im eBook nicht verlinkt. Die Texte sind stellenweise etwas lang, auch die Ingame-Texte zum Nacherzählen oder Vorlesen. Rechtschreibung und Wortwahl gehen in Ordnung.
Die schönen Bilder halten 4 Feen bei der Stange, die 5. ärgert sich über fehlende Übersicht.
Ungewohnte Jahreszeiten im Dryadenhain
Das erste Abenteuer "Die Gärten der Xantere" führt die Gruppe auf die Zyklopeninseln. Dort treffen sie auf Hexander Ponziani von Kuslik. Der war unter anderem in Krallenspuren schon Auftraggeber. Diesmal schickt er die Helden aus, um einen sagenhaften Dryadenhain aufzuspüren. Dass die Stadt Teremon dabei nur als Treffpunkt genutzt wird, ist etwas schade, aber vermutlich der begrenzten Seitenzahl geschuldet. Auch der Schauplatz der Zyklopeninseln spielt nur eine untergeordnete Rolle, Lokalflair muss der Meister bei Bedarf selbst einstreuen.
Am Zielort stoßen die Helden recht schnell auf besagten Hain. Dieser besteht aus vier Gebieten, in denen jeweils eine Jahreszeit vorkommt. Der Winter droht nun, die anderen Gebiete zu überrollen und zu vereisen. Nur die Hausherrin selbst könnte ihn aufhalten, befindet sich aber aus Kummer in einem magischen Schlaf. Um zur ihr zu gelangen, müssen die Helden die vier Gebiete durchqueren. Damit sich das nächste Tor öffnet, muss immer die passende Melodie gespielt werden. Die kann in jedem Gebiet erlernt werden.
Durch den Aufbau wird das Abenteuer sehr linear. Abkürzungen gibt es nicht, und auch die Reihenfolge, in der die Jahreszeiten besucht werden, ist klar vorgegeben. Außerdem kommen die Helden nur mit den Melodien weiter. Andere Ansätze werden gleich unterbunden. Dafür sind die Gärten abwechslungsreich gestaltet. Außerdem gibt es noch eine Reihe kleiner Aufgaben, die Helden erledigen können. Unter anderem wollen Feenwesen aus misslichen Lagen befreit werden. Am Ende wartet zwar kein Drache, aber dafür ein anderer Endgegner.
Da lineares Vorgehen weniger ihr Ding ist, bleiben nur 3 Feen zurück.
Bekannt unbekanntes Zauberwesen im Morgenland
"Schlange und Mungo" klingt nicht nur nach dem Morgenland, sondern spielt auch dort. Genauer in Mhanadistan, dem aventurischen Pendant mit vielen Kleinstaaten. Dort will ein machtgieriger Wesir die Tochter des Emirs von Ras El'Bir heiraten. Die liebt aber einen anderen. Daher wird ein örtlicher Zauberbaum um Hilfe gefragt. Dessen Prüfung lässt einen der Bewerber als würdig erscheinen. Doch das Ergebnis wurde manipuliert. Also müssen die Helden ran, um die Lage zu retten.
Das Städtchen des Emirats bekommt eine passende Beschreibung mit gleich zwei Palästen. Jener des Wesirs ist deutlich größer. Zudem ist der Thronanwärter nicht nur wegen seiner Raffgier sehr unsympathisch. Die Fronten sind klar verteilt, subtile Grautöne fehlen. So bleibt nur die Frage, wie der Kerl betrogen hat - und nicht ob. Das ist für den Spielleiter leichter zu handhaben, für erfahrene Spieler aber möglicherweise etwas platt und einfach.
Auch die anderen Protagonisten erfüllen gewisse Klischees. So ist die Prinzessin hübsch (zum Glück aber nicht blöd) und ihr Vater etwas verwirrt, aber gutmütig. Und der Haimamud (Märchenerzähler) dient als Quelle, um den Helden den Hintergrund zu vermitteln.
Nachdem die Helden das Problem verstanden haben, geht es zum Zauberbaum. Der ist selbst nicht magisch, dafür aber sein Bewohner. Dabei handelt es sich nicht um einen Djinn, der in diesen Breiten zu erwarten wäre, sondern ein anderes Zauberwesen, dass in den Tulamidenlanden selten vorkommt.
Auf dem Weg werden die Helden mehreren Prüfungen unterworfen. Die sind nicht als Herausforderungen gedacht, sondern als humoristische Tests für den Charakter der Helden. Spaßvögel können sich hier austoben. Beim Baum angekommen, verrät das Zaubermännlein, was getan werden muss, damit das Ergebnis wie gewünscht ausfällt. Dafür müssen die Helden einen Gegenstand an sich bringen, der im Besitz des Wesirs ist. Haben sie das geschafft, können sie den Bösewicht konfrontieren und dazu bringen, etwas mit dem Ding zu tun.
Auch dieses Abenteuer ist recht gradlinig. Das am Test etwas falsch verlaufen ist steht nicht wirklich zur Frage. Zudem lässt der Bösewicht sie eher gewähren. Dafür ist die Geschichte an sich schön geschrieben. Schade finde ich, dass andere Vorgehensweisen nicht wirklich berücksichtigt werden. Sich vom Wesir bestechen lassen und die Sache ignorieren? Oder ihn von sich aus zum Verzicht bereiterklären zu lassen? Da müsste der Meister improvisieren.
Wieder lauschen 3 Feen dem Geschichtenerzähler, die anderen schauen sich woanders um.
Unbekannter Dämon und ein gefallener Stern
Deutlich düsterer kommt das dritte Abenteuer daher. Dabei verschlägt es die Gruppe nach Tobrien. Dort sollen sie einem Gutsherrn helfen, der unter einer besonderen Krankheit und schweren Zweifeln leitet. Nach alter DSA-Tradition sind dabei finstere Mächte hinter den Kulissen am Werk. Also erkunden die Helden die naheliegenden Seen und das Gebirge. Dort treffen sie Informanten - darunter einen Geist - und finden den Ursprung des Übels. Das nahm vor vielen Jahren seinen Anfang, wurde aber vor kurzem erst richtig in Gang gebracht.
Hilfe verspricht ein gefallener Stern - dem Sternenfall sei Dank. Doch zugleich will ein Dämon den Helden in die Suppe spucken. Dabei wird ein eher unbekannter Vertreter der Niederhöllen genutzt, der sich angenehm von den bekannteren Exemplaren wie Heshthot oder Zant unterscheidet. Zurück im Dorf müssen die Retter schließlich noch eine Traumreise antreten, um dem armen Gutsherrn zu helfen und wieder auf den rechten Weg zu bringen. Dazu müssen sie ihn zunächst von mehreren Traum-Gräueltaten abbringen. Dann geht es im Finale gegen die wahre Verursacherin des Übels.
Schön finde ich, dass im Abenteuer mit Ifirn eine weniger präsente Gottheit eine Rolle spielt. Auch die Möglichkeit, dass die Helden versagen, wird am Ende berücksichtigt. Zudem kommt hier einer der gefallenen Sterne vor, die mit dem Sternenfall ja Teil des offiziellen Metaplots - also der übergeordneten Geschichte - von DSA sind. Ob die Helden den Stern nach dem Abenteuer behalten, ist deren Entscheidung. Zumindest als Lichtquelle kann er dann noch genutzt werden.
Zudem passt der düstere Grundton gut nach Tobrien. Der Landstrich ist schon an sich mit seinen dünn besiedelten Regionen und vielen Wäldern nicht sehr einladend. Durch Borbarads Invasion und die Jahre der Herrschaft seiner Heptarchen steigerte sich das noch. Etwas umfangreicher sind dafür die Regeln für die Traumreise. Hier empfiehlt es sich, vor dem Abenteuer Charakterbögen mit den angepassten Charakterwerten vorzubereiten. Das spart am Spielabend Zeit.
Von allen Abenteuern im Buch können sich die Spieler hier am meisten wie Helden fühlen, da sie gegen die Mächte jenseits der Schöpfung antreten. Ein etwas modularer, offener Ablauf oder mehr unterschiedliche Möglichkeiten, das Problem zu lösen, hätten dem Abenteuer aber gut getan.
Trotz der unheimlichen Atmosphäre verfolgen 4 Feen gespannt den Kampf um eine Seele und einen Stern.
Fazit
Märchen haben in Aventurien auch weiterhin ihren Platz. Das zeigen die drei Abenteuer des Sammelbandes gut. Dabei sind nicht nur die Schauplätze sehr unterschiedlich, sondern auch die Themen. Wer einfache Abenteuer mit Abwechslung sucht, ist also richtig. Wer dagegen komplexere Geschichten mit offenerem Ablauf will oder immer nur in einer Region oder mit einer Grundstimmung spielen möchte, könnte etwas enttäuscht werden. Zudem hat jedes Abenteuer einen festen Ablauf, der nur stellenweise abweichen kann.
Schlussendlich haben sich 14 von 20 Feen gut amüsiert und flattern zufrieden nach Hause.
Fantasy-Kritik beim Sternenwanderer
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