Liga der außergewöhnlichen Gentlemen: Das schwarze Dossier
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Wie dem auch sei¸ es liegt ein neuer Band der Liga vor und Alan Moore hat sich wieder alle Mühe gemacht¸ nicht nur etwas besonderes zu kreieren¸ sondern¸ dem Namen der Liga ent-sprechend¸ etwas Ungewöhn-liches. Ihm gelingt es immer wieder¸ das Medium Comic und die Genres auf den Kopf zu stellen und durcheinanderzuwirbeln. Heraus kommt ein spannender Genremix. Wir haben hier ein Comioc mit Klappbroschur vorliegen¸ dessen Inhalt sehr abwechslungsreich gestaltet ist. beginnend mit unterschiedlichen Papiersorten.
Die Geschichte der Liga beginnt im Jahr 1898 um im Auftrag des Militärischen Abschirmdienstes den Kampf gegen die Feinde des britischen Empires aufzunehmen. Dabei bedient sich der Dienst der unterschiedlichsten Personen. So finden sich John Carter¸ Billy the Kid¸ Alan Quatermain¸ Mina Murray¸ Dr. Moreau und andere in dieser illustren Runde wieder.
Der Band spielt in London im Jahr 1958¸ das Big Brother Regime eines George Orwell ist aufgelöst und England beginnt sich von dessen Schreckensherrschaft zu erholen.. Mina gelingt es¸ einen Agenten Namens Jimmy in ein Gespräch zu verwickeln und einzulullen. Der Mann¸ der bei Ian Fleming eine Doppelnull trägt¸ trinkt gern Wodka-Martini mit Eis¸ gerührt und nicht geschüttelt¸ so dass sofort klar ist¸ wen der Autor in seiner Erzählung auftreten lässt. Aus rechtlichen Gründen durfte Alan Moore verschiedene Personen nicht beim Namen nennen¸ sondern musste sie umschreiben. Doch sie sind immer schnell zu erkennen. Ihr gelingt es¸ den Agenten ihrer Majestät dazu zu bringen¸ in ein Gebäude des Geheimdienstes einzudringen¸ wo Mina und Allan Quatermain das Schwarze Dossier stehlen können¸ dass der Leser nun in der Hand hält. Es gibt also die Rahmenhandlung um hauptsächlich Mina und Alan und ständige Ausflüge in das Dossier¸ welches von beiden ausführlich durchgearbeitet wird. In dieser Akte wird alles Wissen und Unterlagen des Geheimdienstes zusammengefasst¸ was über die Liga und ihre einzelnen Mitglieder bekannt ist. So ist der Comic auch aufgebaut¸ es finden sich verschiedene Papiersorten¸ Anzeigen und kleine Heftteile¸ grosse Textteile¸ Comicanteile¸ Zeitungsberichte¸ Karten¸ Magazinausschnitte¸ einen 3-D-Teil und anderes mehr. Natürlich bleibt der Diebstahl der Akte nicht ungestraft. Mina und Alan werden vom Geheimdienst¸ etwa einer gewissen Emma Night¸ alias Emma Peel¸ Hugo Drummond und dem überlisteten Jimmy durch Grossbritannien gejagt. Hier geht es jedoch nicht um die Flucht als solche¸ sondern um das schwarze Dossier. Alan und Mina beschäftigen sich während der Flucht nicht nur miteinander sondern mit dem Dossier und der Übergang der Rahmenhandlung und dem Dossieer ist fliessend. So nimmt Mina einen Teil des Dossiers in die Hand und auf der nächsten Seite liest der Leser¸ quasi stellvertretend für Mina¸ das Dossier. Dies Dossier enthält z.B. Die neuen Abenteuer von Fanny Hill¸ einen erotischer Briefroman¸ der aus der Sicht von Fanny Hill. Feenlands Schicksalsfügung ist ebenso vertreten wie Sexjane - Verbrechen am Fliessband. Daneben gibt es auch Auszüge aus Groschenromanen¸ Postkarten¸ Prospekte und politische Karikaturen. Es gelingt dabei dem Zeichner Kevin O'Neill ¸ sich an den Stil der jeweiligen Zeit anzupassen und so eine ganz besondere Atmosphäre zu kreieren. Vor allem da der Band zwischen 1910 und 1969 spielt¸ zwei der Century-Bänden. Auch in diesem Band hat Alan Moore wieder unzählige Anspielungen auf fiktive Figuren aus Literatur und Film untergebracht¸ aber es bereitet sicher jedem Leser viel Spass¸ die abgefahrene Welt Alan Moore s zu erfahren¸ auch wenn nicht jede Anspielung für den Leser sofort erkennbar und nachvollziehbar ist. Alan Moore erweist sich als einfallsreicher Erzähler¸ der über ein unglaublich breites und fundiertes Allgemeinwissen zeitgenössischer und klassischer Literatur verfügt.
Das schwarze Dossier ist ein unglaublich liebevoll gestaltetes Kunstwerk der Comickunst¸ oder 9te Kunst¸ wie man sie auch nennt. Autor und Zeichner verschmelzen Literatur¸ Film und Comic zu einem interessanten Werk¸ welches erzählerische als auch künstlerische Grenzen einreisst. Es ist ein Buch¸ welches jeden Freund von niveauvoller und fesselnder Literatur und / oder Graphic Novel begeistert. Eine grossartige und liebevoll gestaltete Comic-Ausgabe¸ die langen Lesespass garantiert. Das schwarze Dossier ist etwas für Liebhaber¸ die ein beeindruckendes Quellenbuch zur Liga in der Hand halten.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355
