Die Königsmörder-Chronik 1: Der Name des Windes
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Kvothe kam als Kind bei den umherziehenden Edema Ruh¸ einer fahrenden Schaustellertruppe von hohem Ansehen¸ auf die Welt. Seither kam er mit Schauspielern¸ Jongleuren und anderen fahrenden Künstlern in Kontakt und lernte viel von ihnen. Kein Geheimnis blieb vor ihm sicher und er lernte jeden Trick und jeden Kniff¸ der ihm gezeigt wurde und manchen der ihm nicht gezeigt wurde. Er lernte die Schauspielerei und die Liebe zur Musik¸ das Lautenspiel¸ kennen. Eines Tages schliesst sich der fahrenden Truppe mit Abenthy ein Mann an¸ der als Zauberer und Magier seine Tricks vorführt. Von Ben¸ wie er kurz genannt wird¸ lernt er das ganze arkane Wissen. Er lernt alles über die Geheimnisse der Kräuter und ihre Anwendung. Das Gleiche gilt für alle anderen Substanzen¸ die für Tränke und Pulver verwendet werden. Ben kennt den wahren Namen des Windes und kann ihm daher Befehle erteilen. So wie jeder¸ der den wahren Namen der einzelnen Dinge und Lebewesen kennt¸ kann er diesen befehligen. Der Junge wächst behütet ohne sich um sein Leben kümmern zu müssen auf. Das sorgenfreie Leben endet mit einem Überfall der Chandrians. A ls er vom Holzsammeln zurückkehrt¸ findet er nur noch Leichen im zerstörten Schauspielerlager. Die Mörder verstecken sich aber nicht vor ihm¸ sie reden mit ihm¸ und als sie sich vor seinen Augen in Nichts auflösen¸ weiss Kvothe¸ dass es die Chandrian waren¸ Angehörige eines dunklen und sagenumwobenen Zaubererordens. Die dämonischen¸ unsterblichen Lebewesen galten als Sagenfiguren und wurden gemeinhin als Kinderschreck eingesetzt. Kvothe lernt die andere Seite der Sagen kennen¸ den wahren Kern¸ der überall darin steckt. Das Leben des fahrenden Volkes wurde durch die Chandrians ausgelöscht und lediglich Kvothe überlebt¸ zuerst im Wald¸ dann als Bettelknabe in der Küstenstadt Tarbean. Immer dabei das Buch¸ das eine Empfehlung für die ber&ühmte Universität von Imre enthält¸ welches er von Ben erhielt.
Endlich gelingt es ihm¸ an der Universität aufgenommen zu werden. Weil er die Aufnahmeprüfung mit Bravour meistert¸ erhält er ein Stipendium. Dieses gilt zwar nur für das erste Semester¸ aber immerhin¸ ein Anfang ist gemacht. War ihm schon als Junge das Wissen fast zugeflogen¸ so nimmt er das Wissen an der Universität auf¸ wie ein trockener Schwamm Wasser aufsaugt. Um möglichst viel zu lernen¸ schreibt er sich für alle Kurse in theoretischer und angewandter Magie ein und glänzt als Bester in allen Fächern. Der Antrieb für seinen Lerneifer ist einfach. Er schwor sich¸ den Tod seiner Eltern zu rächen. An der Universität lernt er wieder die Schönheit der Musik und das Lautenspiel lieben und entwickelt sich zu einem wahren Meister. Weil ihm scheinbar alles wie von selbst zufliegt¸ hat er ein übersteigertes bis an Arroganz grenzendes Selbstbewusstsein. Das sorgt zudem dafür¸ dass er immer wieder die Grenzen der Universitätsregeln überschreitet. Er stolpert von einem Skandal in den nächsten¸ muss um den Fortgang seiner Studien bangen und schafft sich mächtige Feinde. Als eine Art Lieblingsschüler¸ weil er so gut lernt und bald den Lehrern ebenbürtig wird¸ wird ihm viel verziehen.
Trotzdem geht ihm auch einiges schief. Er will mit einer Teersorte arbeiten¸ ist jedoch nicht sorgfältig genug und bringt nicht nur sich sondern auch Fela und andere in Gefahr. Mit Glück im Unglück kommt Fela mit wenigen Verletzungen davon und auch Kvothe wird keinerlei bleibende Schäden behalten.
Natürlich gibt es auch eine Liebesgeschichte. Und diese stellt sich in Form der bezaubernden Denna ein¸ die Kvothe um den kleinen Finger wickeln kann.
Warum erwähne ich gerade diese Szene wird man sich fragen? Nun¸ sie steht für jede andere Szene. Kvothe erzählt in Ich-Form¸ wie es ihm ergangen ist und in einer solchen Szene wird vieles deutlich. Eine Erzähltiefe¸ in der man sich lebhaft vorstellen kann¸ wie die Räumlichkeiten aussehen¸ was dort geschieht¸ wie er Leben rettet¸ das er selbst verschuldet in Gefahr brachte¸ dass er nicht der strahlende Held ist und vieles mehr. Patrick Rothfuss gelingt mit wenigen Worten etwas zu erzählen¸ wo andere Autoren fast einen ganzen Roman bemühen.
In der letzten Zeit habe ich wirklich viele Romane gelesen¸ wo Kinder als Waise oder Halbwaise aufwachsen und aus Rache die halbe Welt umkrempeln. Es gibt genügend Roman¸ die eigene Welten aufbauen¸ wo sich unglücklich verliebte Frauen in den Helden vergucken¸ wo andere Frauen schnelllebig den Helden schöne Augen oder böse Feinde ihm das Leben schwer machen. Ja es gibt genug davon und mehr als einmal habe ich gesagt. Jetzt reicht es. Trotzdem bin ich bei diesem Buch dabei geblieben¸ habe mir eine Nacht um die Ohren gehauen¸ weil ich nicht zu lesen aufhören wollte. Das alles¸ weil seine Sprache klar ist¸ und die Handlung den Leser in ein nachvollziehbares¸ gefühlsbetontes Lesewerk zieht. Der Autor glänzt mit Originalität. Einer Eigenschaft¸ die nicht jeder Autor sein Eigen nennt. Dabei enthält dieser Roman all die Dinge¸ die jeder andere Fantasy-Roman ebenfalls sein beinhaltet. Sehr gut gefiel mir¸ dass Patrick Rothfuss seine Welt nicht in allen Einzelheiten darlegte. So bleibt Platz für die eigene Phantasie und der Leser begleitet den Ich-Erzähler umso lieber. Gleichzeitig setzt er mit einer leicht oberflächlich erscheinenden Beschreibung ein tiefes Gefühlsleben der alles beherrschenden Erzählfigur voraus und vertieft es mit jeder weiteren Beschreibung. Patrick Rothfuss lässt sogar die Stille lebendig werden.
Der Held der Geschichte ist eine faszinierende Persönlichkeit. Er ist nicht nur der Gute Kerl¸ der reichlich Talenten gesegnet ist. Verschiedene Charaktereigenschaften weisen auf eine dunkle Seite hin und doch¸ er bleibt immer sympathisch.
Der Name des Windes (Tag Eins) ist mit Abstand das beste Fantasybuch¸ das ich seit J. R. R. Tolkien und Tad Williams las.
Der einzige Unterschied zwischen der gebundenen Ausgabe und dem Tradepaperback ist als Bonus das erste Kapitel des Folgebandes.
Inzwischen gewann Patrick Rothfuss den Deutschen Phantastik Preis¸ der von Lesern vergeben wird. Ein Auswahlgremium trägt alle Neuerscheinungen eines Jahres zusammen und stellt sie zur Wahl. Nach einer Vorauswahl findet eine Hauptausscheidung statt. Diese zeigt eindeutig die Stimmung der Leser.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355
