Das Schicksal der Zwerge (Die Zwerge)

Das große Finale der einzigartigen Fantasy-Saga ist da. Was lange ersehnt wurde von Fans¸ aber auch interessierten Lesern¸ der Abschluss der ungewollten Tetralogie¸ sozusagen der Schlussstein eines fantastischen Lesevergnügens¸ beginnt an jenem schicksalsbehafteten Ort am Rande des Geborgenen Landes¸ an dem uns¸ den Leser¸ der Autor Markus Heitz in seinem dritten Band¸ "Die Rache der Zwerge" in Trauer um seinen Helden Tungdil Goldhand zurückgelassen hatte.
Eine Kreatur von unbeschreiblicher Hässlichkeit sitzt auf seinem Posten hinter dem magischen Schirm¸ der die Kreaturen der Schwarzen Schlucht in derselbigen einzusperren sucht. Er harrt auf jenen Moment¸ da nach mehr als 250 Zyklen¸ die vergangen sind¸ seitdem die magische Schutzbarriere wieder errichtet werden konnte¸ dieser wehrhafte Schild in sich vergeht. Damit würde der Weg freigemacht in das Geborgene Land. Es kommt¸ wie es kommen musste¸ der Schild fällt und erstmalig muss die von Boindil Zweiklinge erdachte Festungsanlage "Übeldamm" ihre Standfestigkeit unter Beweis stellen.
Im Zuge eines ersten Ausfalls der Kreaturen¸ die sich so lang hinter dem Schild auf ihren Sturm hatten vorbereiten können¸ taucht jener Zwerg wieder auf¸ den die meisten für tot gehalten hatten und an dessen Rückkehr letztlich nur sein Freund Boindil¸ genannt Imgrimmsch¸ geglaubt hatte.
Tungdils Wesen und Äußeres ist vollkommen verändert. Nur weniges scheint an den "Gelehrten"¸ wie er allgemeinhin betituliert worden war¸ zu erinnern. Zunächst scheint Tungdil auch nicht als Freund ins Geborgene Land einziehen zu wollen¸ sondern er steht als Heerführer der Kreaturen des Jenseitigen Landes an deren Spitze. Jedoch als ein Angriff der Kreaturen beginnt¸ kehrt sich Tungdil gegen jene¸ die er anführt¸ verletzt jene Kreatur¸ den Koridon¸ gegen den er bereits das Missvergnügen in Band 3 hatte zu kämpfen und kehrt zu seinen Artgenossen¸ den Zwergen¸ zurück.
Goda¸ Boindils Gefährtin¸ erste Zwergenmaga und Mutter seiner Nachkommen¸ zeigt ihren Argwohn gegenüber dem einstigen Retter des Geborgenen Landes¸ der in einer schwarzen und mit unbekannten¸ an Albaerunen erinnernden Rüstung eine Ausgeburt der Finsternis zu sein scheint¸ ganz offen. Imgrimmsch wird zwar auch von Zweifeln gebeutelt¸ dennoch vermag er die Freude über die Rückkehr seines Freundes Tungdil¸ mit den darauffolgenden positiven Taten des "Gelehrten" zu einem Netz des beiderseitigen Vertrauen zu verweben¸ welches nur punktuell eingerissen werden kann.
Die Nachrichten¸ die Tungdil mitbringt¸ sind alles andere als verheißungsvoll. Eine Entscheidungsschlacht steht den Völkern des Geborgenen Landes bevor¸ eine Schlacht¸ deren Ausgang zu diesem Zeitpunkt nur die Vernichtung des Geborgenen Landes nach sich ziehen kann. Das Land ist ohnehin schon zyklenlang von einem düsteren Schatten überzogen. Die Zwergenstämme sind weitestgehend ausgelöscht¸ ihre Reiche zerfallen und nur noch wenige stehen an den Orten der Ahnen¸ um die Zugänge zum Geborgenen Land zu verteidigen. Die Menschen leben unter dem Joch von Drachen¸ Albae und der magischen Schreckensherrschaft des einstigen "weißen" Magus Lot Ionan¸ dem Ziehvater Tungdils¸ der jedoch Böses in sich trägt.
Der Freiheitskampf¸ der von einigen wenigen geführt wird¸ unter anderem von einer Nachfahrin von Prinz Mallen und einem Nachkommen des "großen Mimen" Rodario¸ wirkt wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Übermacht der Kreaturen aus der Schwarzen Schlucht ist erdrückend.
Tungdil überzeugt die Gefährten von einst und jene¸ die im Verlaufe der Geschichte sich zu ihnen gesellen¸ ihm zu vertrauen¸ um eine Allianz zu schmieden¸ die Ihresgleichen sucht. Er versucht das Böse mit dem "Belzebub" auszutreiben…
In der Tat ist das Schicksal der Zwerge ein großes Finale¸ ein Finale der Superlative. Bereits von der ersten Seite an wird der Leser in gewohnter Manier von Markus Heitz in seinen Bann geschlagen und in die Weiten des Geborgenen Landes hineingesogen. Man fiebert mit den Helden¸ die einem so vertraut geworden sind im Lauf der vorhergehenden drei Bände und freundet sich mit jenen an¸ die neu hinzutreten.
Die Rückkehr Tungdils aus dem "Jenseits" erfüllt den Leser mit überraschter Freude. Und auch wenn seine Veränderungen und die Zweifel¸ die sein Äußeres wie auch sein Verhalten selbst bei seinem besten Freund auslösen auch auf den Leser übergreifen¸ wirkt der offen geäußerte Argwohn und die Ablehnung seitens einiger weniger Vertreter der Zwerge wie ein Hammerschlag auf die freundschaftliche Zuneigung¸ die man als mitfühlender Leser empfinden kann. Auch wenn sich Godas finstere Vorahnungen¸ dass man sich das Böse in Form eines "Tungdil Doppelgängers" in die Festung Übeldamm geholt haben könnte¸ wie ein Menetekel odysseischer List¸ man denke an das Trojanische Pferd¸ ausnehmen und auch den von Tungdils Edelmütigkeit überzeugten Fan zum Nachdenken bringen kann.
Generell ist der vierte Band in seiner Gesamtkonzeption von Momenten der Selbstzweifel¸ des Argwohns¸ der doppelseitigen List und des Verrates stärker geprägt als die vorhergehenden. Der dadurch¸ dem Werk immanent moralisch drohende Zeigefinger¸ nicht allem und jedem zu trauen¸ scheint allgegenwärtig. Die Düsternis¸ die sich damit auf das Gemüt des Lesers zu legen droht¸ wird durch die derben Späße und die sexuell konnotierten Anspielungen¸ mit denen sich die Zwerge beharken¸ allemal wettgemacht. So ist es ein wahrer Ohrenschmaus sich vorzustellen¸ wie sich die kleinsten Vertreter des Geborgenen Landes mit ihren sexistischen Andeutungen gegenseitig in ihrer Männlichkeit beschneiden. Zitate wie: "Das reicht ja gerade aus¸ um die Männlichkeit zu wässern." "Die Vierten sind in vielen Bereichen schwächer und kleiner als die anderen Stämme"¸ warf Balyndar trocken ein. "Aber mein Bolzen erreicht sein Ziel immer. Ich höre es jedes Mal genau"¸ gab Slin zurück und zeigte auf [Balyndars] Morgenstern. "Du dagegen wirst sein wie deine Waffe: viel zu viel Kraft in den Kugeln und ein armer¸ kleiner Stab." regen auch den letzten¸ der in dunklen Vorahnungen¸ wie sie der Autor gewollt aufziehen lässt¸ versunkenen Leser zu einem Schmunzeln an.
Eingerahmt wird die Handlung jedoch¸ und da bleibt sich der Autor mehr als treu¸ von sehr detaillierten Beschreibungen aufwendig gestalteter Kampfszenen¸ die zartbesaiteten Lesern zumindest ein flaues Gefühl in den Magen zu zaubern imstande sind. "Das Metall war dermaßen scharf geschliffen¸ dass es den Kopf entzweischnitt. Blut¸ Gehirnmasse und Flüssigkeit platschten auf den Kellerboden ..." Beschreibungen¸ wie diese nehmen sich da noch relativ harmlos aus. Die Beschreibungen der Kunstfertigkeit einiger Vertreter aus dem Volke der Albae drehen einem dann doch vollends den Magen um¸ auch wenn sie ob ihrer moribunden Perfektion¸ wie sie auch von den Protagonisten empfunden und angemerkt werden¸ wiederum eine gewisse Form der Faszination erregen.
Alles in allem versteht Heitz es wieder in seiner routinierten Art¸ keinen Moment der Entspannung aufkommen zu lassen. Der Leser eilt von einem Abenteuer¸ von einer brenzligen Situation¸ in die nächste. Die Erwartungshaltung¸ die sich damit aufbaut¸ wird auch anfangs überhaupt nicht enttäuscht¸ vielmehr werden alle aufkeimenden Gelüste der Leserschaft vollends befriedigt.
Nichtsdestotrotz verliert sich der Autor stellenweise in Beschreibungen¸ deren Bedeutung für den weiteren Verlauf der Geschichte offen bleibt. So ist die ziselierte literarische Entwicklung einer Dreiecksbeziehung zwischen den zwei menschlichen Hauptprotagonistinnen und dem Mimen ein Moment erotisierender Fantasterei; welcher Mann würde sich nicht gerne in einem polygamen Verhältnis zu mächtigen Frauen wiederfinden; der jedoch für mein Dafürhalten das Schicksal des Geborgenen Landes weder zum Guten¸ noch zum Schlechten wandeln kann. Heitz verwendet gerade auf diese Personenkonstellation manche Seite¸ die am Ende des Buches für manch andere Frage besser verwandt worden wäre. Denn¸ "Das Schicksal der Zwerge" ist unbestrittenermaßen ein fulminantes Abenteuer und ein grandioses¸ den Zwergen in ihrer Konzeption gerecht werdendes Ende¸ jedoch auch ein sehr abruptes.
Verliert man sich anfangs noch in der Vielzahl von Ortswechseln und der schieren Masse von Personen¸ die wie aus dem literarischen Off auftauchen und kaum zwei Seiten später wieder verschwinden¸ da man sie der Länge nach aufgebrochen und entbeint hat¸ so wird man gegen Ende zumindest dahingehend erlöst¸ dass man weitestgehend einer Gruppe von Protagonisten auf den Fersen bleibt und damit eine gewisse Lesestringenz aufkommen lassen kann. Umso erstaunter stellt man dann fest¸ dass man¸ dem eigenen Verständnis folgend¸ scheinbar noch mitten in der Entwicklung des großen Finales und der großen Entscheidungsschlacht um das Geborgene Land steckt¸ jedoch nur noch wenige Seiten bis zum Ende des Buches übriggeblieben sind.
Ähnlich den nicht mit dem bloßen Auge zu folgenden Hieben und Schwertstrichen¸ mit denen die Albae durch die Reihen ihrer Gegner fegen¸ schwingt Markus Heitz die Feder über die noch zu füllenden Seiten des Endes. Sensengleich mäht er die verbliebenen Gegner¸ die zwischen der Rettung oder dem Untergang des Geborgenen Landes stehen¸ hinfort¸ um die letzten offenen Fragen scheinbar beiläufig in diversen kleineren Nebensätzen zu ihrer langersehnten Auflösung zu führen. Man fragt sich¸ ob vor diesem Hintergrund die vorhergehenden Beschreibungen nicht zu ausführlich geraten sind. Am Ende schien wohl der Zeitdruck des Abgabetermins zu überwiegen oder das Bedürfnis des Autors nun endlich seinen kleinen Helden ein definitives Ende zu setzen.
"Das Schicksal der Zwerge" ist trotz der hier gegen Ende angeführten Kritik ein Muss für jeden Fantasyfan und dies nicht nur¸ weil man endlich die brennenden Fragen¸ die die vorhergehenden Bände aufgeworfen haben¸ beantwortet wissen will. Die Sprache¸ deren sich der Autor bedient¸ der schnörkellose Satzbau¸ die farbgewaltigen Bilder¸ die hier so kunstvoll gemalt werden¸ sind eine wahre Wonne und ein Augenschmaus.
Eine Rezension von: Florian Kayser http://www.geisterspiegel.de
